Kölner Architekturfotografen im Fokus II - koelnarchitektur.de

 

Der Architekturfotograf Jens Willebrand im Portrait - Es braucht poetische Bilder

 


Wie kamen Sie zur Architekturfotografie?

 

Nach ein paar Jahren als Reporter mit der Kamera fotografierte ich 1986 während meines Studiums erstmalig bewusst Architektur. Und zwar den ersten Gewerbebau eines damals jungen Kölner Architekturbüros. Es gewann mit diesem Projekt und meinen Fotos direkt eine Anerkennung zum Deutschen Architekturpreis und wurde weiterhin sehr erfolgreich. Ein Schlüsselerlebnis, das mir andeutete, welch enormes Potential in der Verbindung von Architektur und Fotografie liegt.

 


Bilden Sie Architektur ab, oder übersetzen Sie das Gebaute in eine Bildsprache?

 

Maßgeblich ist das, was das Bild auf Seiten des Betrachters bewirkt. Das, was er sehen kann, ist nicht lediglich das, was „da“ ist. Architekturaufnahmen lassen sich nicht allein in Kategorien des Dokumentarischen fassen. Meine Bilder liefern dem Betrachter vielmehr Anknüpfungspunkte, mehr zu erkennen.  Dabei liegt für mich einer der Aspekte des künstlerischen darin, etwas erfahrbar zu machen, das sowohl über das oberflächlich Sichtbare als auch über das hinausgeht, das in Worten beschrieben werden kann.  Am Ende ist meine Art der Fotografie eine Transformation, eine Interpretation des Vorgefundenen. Meine Bildwelten sind kein Zu-Fall. Sie sind eher eine An-Eignung des Ortes und des Projektes mit methodischer Berücksichtigung des Unerwarteten. Manchmal passt die gegebene Unordnung zum Bild, in anderen Fällen ist jedoch erst das Entfernen von störenden Dingen am Ort der Schlüssel zur Gestaltung des Bildes.

 


Wie nähern sie sich dem architektonischen Konzept eines Hauses? Sprechen Sie mit den Architekten und Bauherren oder machen Sie sich selbst ein Bild?

 

Ich lasse mir sehr gerne Intention und Inhalte erklären. Es kommt aber noch viel mehr dazu. Ich bewege mich in einem Spektrum zwischen Fingerzeigen der Auftraggeber und einem unbefangenen Einlassen auf alles, was sich bietet, auch auf das Unerwartete. Ich mache mir das Objekt zu eigen. Dies sowohl im Bewusstsein dessen, dass ich eine Transferleistung vollbringe, als auch im Respekt vor dem, was das Objekt auch im Kontext seines Umfeldes ausmacht. Ich suche nach Zeichen, nach sprechenden Anordnungen. Oder ich schaffe Anordnungen, die die in Relation zur Architektur eine Lebenswelt erkennbar machen.

 


Wie viele Bilder braucht man, um ein Haus zu verstehen, und welche sind das?

 

Grundsätzlich gilt es, ein einzelnes Bild so stark wie möglich zu verdichten. Ein Bild, das alles auf einmal erzählt, in zeitloser Perfektion für die Ewigkeit, das ist das Ziel. Aber in professionellen Publikationen werden Geschichten erzählt. Dafür benötigen wir mehrere Bilder: Die Luftaufnahme mit der Drohne, die Fußgängerperspektiven, die Innenaufnahmen, die Details, Aufnahmen mit und ohne Menschen, verschiedene Lichtstimmungen. Es geht um eine Vermittlungsleistung - ob im Einzelbild oder in der Serie. Ein Zusammenspiel sichtbarer Zeichen, das die Kraft hat, innere Bilder zu erzeugen. Bilder, die über das rationale Verstehen hinaus ein emotionales Erkennen bewirken können. Es braucht poetische Bilder.

 


In den letzten Jahren sieht man auch in den Architekturzeitschriften belebte Bilder. Eine Tendenz, die Sie begrüßen? 

 

Dieser allgemeine Trend zu mit Menschen belebten Architekturfotos ist auch eine Folge der erweiterten technischen Möglichkeiten der Digitalisierung. Moderne Kameras erlauben jetzt die nötigen Belichtungszeiten, die zuvor nicht möglich waren, um Menschen in Architektur inszenieren zu können.  In solchen Fällen bewegt sich dann die Architekturfotografie häufig an der Grenze zur Reportagefotografie. Ich setze auch zufällige Ereignisse, besondere Lichtstimmungen und passende Gegenstände ein, um mit dem Überraschenden und dem Ereignis des Lebendigen etwas über das Projekt und seinen Kontext zu erzählen.

 


Ist die digitale gegenüber der analogen Fotografie Fluch oder Segen für Sie? 

 

Ganz klar ein Segen. Dank der digitale Fotografie kann ich mich mehr wie ein Maler fühlen. Natürlich kann ich figurativ nicht so frei werden wie in der Malerei, aber ich habe viel mehr Möglichkeiten atmosphärisch zu arbeiten, kann viel freier, präziser und subtiler mit Farben, Kontrasten und anderen Aspekten der Bildgestaltung arbeiten, als es in analogen Zeiten jemals der Fall war.

 


Woran erkennt man Ihre Bilder?

 

An der spezifischen Lesbarkeit der Bilder, einer Art haptischen Qualität des Sehens, die ein Berühren der Architektur im Augen-Blick ermöglicht. Meine Bilder führen dazu, dass ein Betrachter verweilt, anstatt schnell zum nächsten Bild zu springen. Der Betrachter liest im Bild und vertieft sich in die Architektur. Meine Bilder ermöglichen eine Erfahrung: die Erfahrung eines bestimmten Aufnahme-Moments während der Seh-Zeit. Es sind fotografische Bildwelten als Transformation: Eine Transformation, mal näher, mal weiter an der Architektur.


Die Fragen stellten Barbara Schlei und Uta Winterhager