Museum für Luftfahrt und Aviationpark in Krakau, Polen
Architektur: Justus Pysall, Berlin
Bauherr: Muzeum Lotnictwa Polskiego
Eines der größten Museen für Luftfahrt weltweit befindet sich heute in den unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden und Hangaren des ehemaligen Flugfelds Rakowice–Czyzyny in Krakau. Dieser erste Flughafen auf polnischem Boden war 1912 für den Armee Flugpark 7 des Kaiserreichs Osterreich-Ungarn gebaut worden. Für ein neues Haupt- und Ausstellungsgebäude des Museums wurde 2005 ein Wettbewerb ausgelobt, der erste europaweit offene Architektenwettbewerb für ein Kulturbauwerk nach dem Beitritt Polens in die EU, der von einem deutschen Architekten gewonnen und realisiert wurde.
Größe Museum 4.504 qm - Aviationpark 6,14 ha
Museum
Die Idee des Fliegens, der Geist des Ortes, die Struktur der Flugplatzanlage, die Faszination der historischen Technik - der Neubau des Luftfahrtmuseums greift die topologischen und gedanklichen Bezüge auf, die an diesem Ort vorzufinden sind und verdichtet sie in einem zeichenhaften, expressiven Bauwerk. Die alten Hangars des ehemaligen Flughafens lieferten das Modulmaß für die quadratische Grundplatte (60 x 60 m) und die Höhe (12 m) des Neubaus. Eingeschnitten und gefalzt wie beim Falten eines Papierflugzeugs entstand die Großform: dreiflüglig, in Beton gegossen und dennoch optisch leicht wie ein Windrad oder ein Propeller. Die Flügel öffnen sich großflächig verglast in alle Himmelsrichtungen. Größe und Ausrichtung folgen aus der unterschiedlichen Verwendung der Flügel. 4.500 m2 Nutzfläche stehen auf drei Geschossen zur Verfügung.
Die ineinander übergehenden Räumlichkeiten bieten dem Besucher eine klare Orientierung. Er hat die Wahl, zunächst das 3D-Kino zu besuchen, das als geschlossenes, rumpfartiges Volumen im Raum steht, sich im „Education Wing“ über Luftfahrt zu informieren oder direkt zu den Flugobjekten in die Haupthalle zu gehen. Die Ausstellung verbindet sich optisch mit den Freiflächen und bietet Ausblick auf das Flugfeld mit den im Freien aufgestellten Maschinen. Die Flugzeuge im Nordflügel erscheinen nicht wie eingeschlossen, sondern nur untergestellt, jederzeit bereit, zur Start- bahn zu rollen. Im ersten Obergeschoss, gegen die Halle verglast und einsehbar, stehen dem Publikum ein Restaurant mit Bar und die Bibliothek zur Verfügung. Auch der Vortragssaal mit 150 Plätzen befindet sich auf dieser Ebene. Die Büros und Besprechungsräume der Verwaltung im zweiten Obergeschoss haben durch die Glaswände Ausblicke in den Park oder nach innen in die Ausstellung, manche sind wie durch Bullaugen in der Bordwand von außen belichtet.
Energiekonzept des Neubaus
Unterschiedliche Temperaturzonen, natürliche Lüftung und intensive Tageslichtnutzung sorgen für den Ressourcen schonenden Betrieb des Gebäudes. Grundkonzept ist die natürliche Lüftung aller drei Gebäudeflügel, lediglich das Kino und der Vortragssaal erhalten Zu- und Abluft durch einen energieeffizienten Wärmetauscher mit Luftzuführung über einen Erdkanal. Dieser bewirkt eine Zulufterwärmung im Winter und Kühlung im Sommer. Der Nutzung entsprechend werden die Gebäudeflügel unter- schiedlich beheizt, auf 20° C die Büroräume, auf 18° C der Education Wing und auf 15° C die als Übergangsraum zur Freiluftausstellung fungierende Flugzeugausstellungshalle.
Durch die Staffelung der Temperaturzonen können gegenüber einer durchgängigen 20° C-Temperierung in den Wintermonaten 40 % der Energiekosten für den Betrieb dieser 10 m hohen und 10.250 m3 bzw. 4.100 m3 großen Gebäudevo- lumen eingespart werden. Die große Speichermasse der Betonwände und die natürliche Lüftung sorgen u. a. für Nachtauskühlung. Gen Norden ausgerichtet und mit einem 200 m2 großen Tor versehen, wird auch die Ausstellung im Sommer natürlich belüftet und ohne Klimatisierung genutzt. Neben der intensiven Tageslichtnutzung über die Fassade und große Oberlichter wurde ein energieeffizientes Beleuchtungssystem in Ausstellung und Administration realisiert. Hierzu gehören Licht lenkende Lamellen und der Einsatz von Niedrigenergieleuchten in Kombination mit Bewegungsmeldern.
Das Ingenieurbüro Arup International, Krakau plante die Haustechnik sowie auch das Tragwerk für das Projekt.
Aviationpark
Im Freien aufgestellte Maschinen reihen sich entlang des ehemaligen Taxiway zur Landebahn auf. Die authentische Situation lässt fast vergessen, dass es sich um Museumsstücke handelt. Einmal im Jahr jedoch verwandelt sich das beschauliche Ambiente in ein betriebsames Flugfeld. Am Flugtag, „Aviation-PickNick“ genannt, donnern die betagten Kisten über das Gelände und heben auf der alten Startbahn ab - direkt vor den Augen der Besucher.
Die wertvolleren Exponate sind im Schutz von acht historischen Gebäuden und Hangars untergebracht und in thematischen Abteilungen ausgestellt. Die Ausstellungsflächen wurden für die Präsentationen unter freiem Himmel durch große Betonflächen erweitert.
Die Landschaftsarchitekten St raum A, Berlin entwarfen den sechs Hektar großen Aviationpark. Ihre Planung vernetzt den Neubau mit den Bestandsbauten durch die Inszenierung historischer Blickachsen, Vervollständigung alter Alleen und Anlage neuer Parkwege. Ein Rundgang durch die Geschichte der Luftfahrt ist entstanden. Der Weg zwischen den Gebäuden durch den Park lässt den Besuchern Zeit, gesammelte Eindrücke zu verarbeiten und neue wieder aufnehmen zu können.
Sammlung
Mehr als 200 Fluggeräte, darunter eine Vielzahl russischer Flugzeuge aus der Zeit des kalten Kriegs sowie unrestaurierte Flugzeuge, darunter (Welt-)Unikate im Originalzustand aus den Anfängen der Luftfahrt, sind zu besichtigen. Zahlreiche Bauteile und Aggregate, aber auch historische Dokumente, Konstruktionszeichnungen und historische Fotos ergänzen die Sammlung.
Unter den Exponaten befinden sich – teilweise sogar noch im Originalzustand:
Levavasseneur Autoinette, 1909 - Sie gehört zu den berühmtesten Maschinen der französichen Pionerzeit und war der erste Eindecker der Welt, mit dem es gelang, einen geschlossenen Kreis zu fliegen sowie einen Passagier zu befördern.
Geest Möwe 4, 1913 - Eines der ersten Motorflugzeuge in Deutschland, konstruiert von Waldemar Geest, der sich zu dieser vogelförmigen Skurilität von einer Lachmöve inspirieren ließ, der nach der Brutzeit die Schwanzfedern ausgegangen waren.
Heinkel He 5e, 1928 – Ein Seeaufklärer, der in den zwanziger Jahren auf eine Rekordhöhe von 5731 m stieg und der an der Suche nach den Polarforschern des verunglückten italienischen Luftschiffs „Italia“ beteiligt war.
Messerschmitt Me 209, 1938 - Die Maschine stellte 1939 mit 755 km/st einen Geschwindigkeitsrekord auf, der erst 30 Jahre später gebrochen werden konnte.
Grigorowitsch M -15, 1917 - Ein Flugboot der zaristischen Seefliegerei der Ostsee- und Schwarzmeerflotte.
Flugzeuge als Zeitzeugen der Geschichte wie z. B.:
Cuckoo (Kuckuck) - Eigenbau von Eugeniusz Pieniazek, mit der er 1971 aus dem kommunistischen Polen in einem dramatischen Schlechtwetterflug in das ehemalige Jugoslawien floh. Größtenteils in seinem Appartement gefertigt, wurden die Einzelteile aus dem 3. Stock abgeseilt und auf dem Flugfeld Leszno zusammengebaut (siehe TV– Dokumentation „The great escape“).
MIG 29 - In Dienst gestellt bei der Nationalen Volksarmee der DDR, bescherte die Wiedervereinigung der NATO bzw. der deutschen Luftwaffe 1990 24 Exemplare dieses streng geheimgehaltenen „Stars der Lüfte des Ostblocks“. 1999 trat Polen der NATO bei und erhielt 20 der MIGs für den symbolischen Betrag von einem Euro pro Stück. Eine davon mit polnischem Hohheitsabzeichen auf der linken und NVA-Emblem auf der rechten Seite - steht als Zeit- zeuge für Wiedervereinigung und NATO-Osterweiterung im Museum Lotnictwa.
Exponate aus Berlin
Eine Besonderheit bilden Exponate aus der ehemaligen „Deutsche Luftfahrtsammlung Berlin-Moabit“. Wie viele Kul turgüter und Museumssammlungen war auch die Deutsche Luftfahrtsammlung aus Berlin Ende des zweiten Weltkriegs vor dem Bombenhagel in Sicherheit gebracht worden. Die Flugobjekte gelangten mit der Bahn nach Posen, das seit der Etablierung neuer Staatsgrenzen nach dem Potsdamer Abkommen zu Polen gehört. Zwischengelagert in Lokomotivschuppen und Magazinen in Posen (Poznan), Pilawa und Breslau (Wrocław), wurden sie 1963 in Krakau magaziniert. Erst 1982 wurde die bis dato in Berlin als verschollen geglaubte Sammlung wiederentdeckt. Am 20. 01. 1986 schrieb der Spiegel: „Der Fund von Krakau ist für Flugzeugfreaks wie ein Pharaonengrab“.
Motorensammlung
Die Motorensammlung gilt aufgrund der Exemplare aus den Anfängen der Luftfahrt als einzigartig. Reihenmotoren wie der französische Antoinette V8 von 1908, der deutsche Maybach Mb IV von 1914 und der Mercedes D IV b von 1915 sowie Sternmotoren wie der Le Rhone C von 1919 oder der Siemens Halske SH-III von 1917 aus Berliner Werken gehören dazu.